Emília Rigová
Emília Rigová (1980, Trnava, SK) ist ausgebildete Bildhauerin. Sie studierte Steinbildhauerei an der Hochschule für Angewandte Kunst in Bratislava und später an der Abteilung für Bildhauerei der Akademie der Künste in Banská Bystrica. Auch wenn sie keine Skulpturen im traditionellen Sinne schafft, ist die Arbeit mit dem Raum ein typisches Merkmal ihrer Kunst. Sie bewegt sich vor allem in den Medien Installation, Performance, Video und Grafik, wobei ihre Arbeiten formal von einer Suche nach Bedeutung und Möglichkeiten der Anwendung von Prinzipien der Bildhauerei im heutigen digitalen Zeitalter geprägt sind.
Thematisch beschäftigt sie sich mit der Frage nach der (eigenen) Identität, der Spannung zwischen gesellschaftlichen Konstrukten und subjektiv erlebter Realität. Engagiert untersucht sie die Probleme von geschlechtlichen, rassischen und ethnischen Minderheiten, insbesondere die Beziehungen zwischen der Identität der Roma und der Mehrheitsgesellschaft. Anhand ihres 2012 geschaffenen Alter Ego Bári Raklóri demonstriert sie die Problematik sozialer und kultureller Stereotypen und Körperpolitik. Sie nutzt es, um die Repräsentation einer Roma-Frau im westlichen Kanon der Kunst und der zeitgenössischen Kultur zu dekonstruieren und neu zu konstruieren. Ihr Schaffen hat auch eine aktivistische Dimension, die vor allem in den Projekten deutlich wird, die sie in Zusammenarbeit mit anderen künstlerischen Subjekten realisiert – als Interventionen im öffentlichen Raum. Neben ihrem eigenen künstlerischen Schaffen unterrichtet sie an der Abteilung für visuelle Kultur der Pädagogischen Fakultät der Matej-Bel-Universität in Banská Bystrica oder an der Barvalipe Academy in Berlin.
Lady L.
Im Jahr 2018 wurde Rigová mit dem renommierten slowakischen Preis für zeitgenössische Kunst, dem Oskar-Cepan-Preis, ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ist mit einem Aufenthalt in New York verbunden. Dieser Aufenthalt hatte Einfluss auf Rigovás jüngstes Werk, das in ihrer Einzelausstellung Čohaňi z Koni Ajlend (Die Hexe von Coney Island) in der Kunsthalle Bratislava präsentiert wird, die kurz vor der Corona-Krise am 5. März 2020 eröffnet wurde. In dieser Ausstellung beschäftigt sich Rigová mit der Rekonstruktion der Kulturgeschichte der Roma-Diaspora, die die Künstlerin in New York persönlich erlebt hat.
Ein Ergebnis des Aufenthalts in New York und dessen Einfluss auf Rigovás künstlerische Praxis war die Verwendung der Figur des roten Apfels in ihrer Praxis. Rote Äpfel (loliphabaj) sind ein Symbol, das die Künstlerin verwendet, um die Etymologie des Wortes „Lollipop“ zu ergründen. Hier reklamiert die Künstlerin den roten Apfel als Roma-Symbol, denn die roten, mit Zucker überzogenen Karamelläpfel wurden früher von den Roma auf Märkten verkauft. In ähnlicher Weise bezieht sich das Apfelmotiv in ihrem Werk auch auf die Freiheitsstatue, Lady L. In diesem Werk hat Rigová die Freiheitsstatue in das traditionelle rote Roma-Tuch so gehüllt, dass die Brüste der Statue frei liegen. Durch feministische und Roma-Symbole sucht die Künstlerin nach einem tieferen Verständnis ihrer eigenen Identität. (Denisa Tomkova, Politik des Körpers, BerlinArtLink)
Das visuelle Motiv loliphabaj (loli = rot, phabaj = Apfel) verweist auf die Etymologie des Wortes lollipop, jenes beliebten „lolly“ der amerikanischen Popkultur, dessen Präfiguration und Ursprung die Künstlerin in bestimmten verschwiegenen Kontexten der Geschichte der Roma-Kultur findet. In Lady L. trägt die Freiheitsstatue ein typisch dekoratives Roma-Kopftuch mit feministischem Akzent (Betonung der Weiblichkeit und der Politik des Körpers der Künstlerin), während ihre üblichen Attribute gegen auf einer Stange aufgespießte Äpfel ausgetauscht werden (in der Roma-Kultur waren diese zum Braten bestimmt). Das Bild ist eine symbolische Personifizierung und Wiederherstellung (Korrektur) des Ausgangspunkts der Roma in der amerikanischen Populärkultur. Zusammen mit der Videoperformance Loliphabay, in der die Künstlerin in ihrem charakteristischen Medium aktiv Süßigkeiten „knuspert“, kann man es auch als Identitätssuche, als Reise der Selbstfindung, der Identifizierung in einer fremden Welt verstehen. (Nina Vrbanová, Teil des Kuratorentextes für die Ausstellung Čohaňi z Koni Ajlend)